Quelle: Spiegel


Zeitpunkt verpasst. Das selbstverschuldete Elend des Cristiano Ronaldo – eine Mahnung an alle Erfolgreichen

Das Bild des weinenden Cristiano Ronaldo nach seinem verschossenen Elfmeter im Spiel gegen Slowenien im Achtelfinale wird als eines der Bilder dieser EM in Erinnerung bleiben. Trotz des rührenden Fotos: Mitleid ist nicht angebracht. Stattdessen sollten Unternehmer vor der Regelung der Unternehmensnachfolge und alle erfolgreichen Manager, Freiberufler und Politiker gegen Ende ihrer Berufskarriere das Beispiel eines selbstverschuldeten Elends als Mahnung verstehen; und anders handeln.

„Ein Fossil, gephotoshoppt in ein heutiges Fußballmatch“, schrieb Florian Haupt über den alternden Fußballstar im „Spiegel“ am Tag nach dem glanzlosen Ausscheiden gegen Frankreich. Im Spiel sah man Cristiano Ronaldo meist im Joggingtempo auf Höhe der Viererkette, während das Spiel weitgehend an ihm vorbeilief. Er winkte, um die Flügelspieler zu motivieren, auf ihn zu flanken oder zeigte Passwege an, wohin er den Ball haben wollte, vergeblich. Die Mitspieler, die ihn früher bei jedem Spielzug gesucht hatten, ignorierten ihn weitgehend. Läufe und Dribblings in die Tiefe, früher sein Markenzeichen, waren Fehlanzeige.

Die wenigen Einzelszenen, die er hatte, verliefen und endeten kläglich. So ein Freistoß von rechts außerhalb des Strafraums, ideal geeignet für eine Flanke, den er in erkennbarer Arroganz in die Mauer schoss, getrieben von der „Obsession, auch bei seiner sechsten EM-Teilnahme zu treffen“ (Florian Haupt). Einen wichtigen Grund für sein Verhalten zeigen Szenen aus dem Quartier der portugiesischen Nationalmannschaft, nämlich den ausgeprägten Narzissmus des Cristiano Ronaldo. Kein anderer Fußballstar lässt sich so oft mit nacktem Oberkörper fotografieren, um seinen immer noch beeindruckenden Body zu zeigen.

Der Einzige außer Ronaldo selbst, der das Elend hätte beenden können, war der Trainer Roberto Martínez, durch eine Auswechslung. Der aber traute sich offenbar nicht, das lebende Denkmal vom Sockel zu stürzen.

Als #Ruhestandscoach sehe ich in der Tragik des Cristiano Ronaldo vielfältige Parallelen zu erfolgreichen Unternehmern, Managern, Freiberuflern und Politikern, die ebenfalls in der Gefahr stehen, den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg zu verpassen. Auch in Unternehmen passiert es, dass Chefs die Kreativität verlieren, die früher zum Erfolg des Unternehmens geführt hat, wie Ronaldo seine Dribblings und in Routinen erstarren, statt Innovationen zu generieren. Ebenso kommt es häufig vor, dass die Zeichen und Ansagen des Chefs, was zu tun ist, vergleichbar dem Zeigen der Passwege durch Christiano Ronaldo, ignoriert werden; leitende Angestellte ihn nicht mehr suchen und einbeziehen, sondern stattdessen ihr eigenes Ding machen. Dann fehlt dem Chef die Unterstützung, wie Christiano Ronaldo die Flanken. Wie Fußballer neigen auch Firmenchefs, geblendet vom Glanz des eigenen Erfolges in Jahrzehnten, dazu, in Selbstüberschätzung Einzelaktionen zu machen, die negative Folgen haben können, wie Ronaldos Freistoß in die Mauer. Ebenso sind Aufsichtsräte oder Beiräte nicht vor der Gefahr gefeit, vor lauter Ehrfurcht vor Leistungen der Vergangenheit den Chef nicht mit der Wahrheit zu konfrontieren. Sie lassen es laufen, wie Roberto Martinez Ronaldo auf dem Platz beließ, statt die für die Zukunft des Unternehmens richtigen Entscheidungen zu treffen.

Warum sich Ronaldo so an seine Karriere klammert, wird an seiner Aussage deutlich: „Ohne Fußball ist mein Leben nichts wert“. Jeder Unternehmer, Vorstand oder Geschäftsführer sollte sich fragen, ob er nicht insgeheim genauso denkt, bezogen auf seine Funktion.

Kluge Unternehmer und Führungskräfte sind gut beraten, anders zu handeln als der gealterte Fußballstar, damit über sie nicht wie über Christiano Ronaldo später gesagt wird: „Seine Geschichte hätte ein besseres Ende verdient gehabt“ (Florian Haupt).

Dies bezieht sich nicht nur auf die Person Ronaldo, sondern auch auf das durchaus mögliche Weiterkommen Portugals im Turnier gegen schwache Franzosen, wenn der Trainer statt Ronaldo die jungen Top-Talente hätte wirken lassen. So gesehen ist Ronaldo mit seiner Ichbezogenheit zum Nachteil seines Teams geworden. Und genau in dem Risiko stehen Unternehmer, die den Generationenwechsel verpassen. Das Ausscheiden aus dem Turnier entspräche dann dem Rückgang der Motivation im Führungsteam, dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und dem Abstieg am Markt.

Anders als der Fußballstar, der gerade erst knapp 40 ist und noch viel Lebenszeit vor sich hat, sollten Unternehmer und Führungskräfte an der Grenze zum Rentenalter, ihren Sinn nicht nur in ihrer Funktion und Position sehen. Nach dem Ausscheiden gibt es einmalige Chancen, den „Freiheitsraum Ruhestand“ zu besetzen und der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit Raum zu geben. Dabei kann ein Coaching vor allen denen helfen, die in ihrer Karriere lange einen Tunnelblick hatten.

 

P.S.

Persönliche Fehleinschätzungen wie im Sport und im Management gibt es auch in der Politik, siehe Joe Biden, allerdings mit ungleich größeren Konsequenzen.

 

#Ruhestandscoach; #Freiheitsraumruhestand; #Loslassenkönnen; #ChristianoRonaldo; #Euro24