Armer reicher Mann: Cristiano Ronaldo wechselt in die saudi-arabische Fußballliga und verpasst damit einen Abgang in Würde

Fußballfans auf der ganzen Welt haben das Bild vor Augen: Cristiano Ronaldo verlässt nach dem verlorenen Viertelfinalspiel Portugals gegen Marokko bei der WM in Katar weinend das Spielfeld. Welch ein Kontrast zu dem jubelnden Superstar nach seinen vielen Toren in nationalen Ligen, der Champions League und in der Nationalmannschaft.

CR7, so der von ihm erfundene, geprägte und gelebte Markenname, ein weinendes Häufchen Elend.

Dabei liegt das Scheitern dieses Mannes nicht in dem verlorenen WM-Spiel. Das eigentliche Drama liegt in ihm selbst, nämlich in dem Unvermögen, loszulassen, seine Profikarriere in Würde zu beenden und seine #3. Lebensphase anzunehmen.

Im Grunde begann der Abstieg, und das ist sein Schritt nach Saudi-Arabien zweifelsohne, schon beim Wechsel von Juventus Turin zu Manchester United, seiner „großen Liebe“, die in Streit und mit seinem Vorwurf des „Verrats“ endete, weil der Trainer ihn nach seiner Leistung, seinem Wert für die Mannschaft und seinem Beitrag zum Erfolg beurteilte und nicht nach seinem vergangenen Ruhm. Sein Wunsch nach einer Vertragsauflösung, um zu einem Verein zu wechseln, der in der Champions League spielt, zeigte bereits deutlich den eingetretenen Realitätsverlust. Keiner der in Frage kommenden Vereine wollte ihn verpflichten.  CR7 muss dies als Demütigung empfunden haben.

Nach dem gleichen Muster verlief die WM in Katar. Dort erlebte er eine weitere schwere Demütigung, als ein junger Spieler (Goncalo Ramos) im Spiel gegen die Schweiz drei Tore schoss und von Fans und Medien gefeiert wurde, während er auf der Bank saß.

Der beispiellose Erfolg des Cristiano Ronaldo, der fünfmal Weltfußballer des Jahres war (Ballon d’Or), liegt sicher einerseits in seinem überragenden Talent, andererseits aber auch in einer beispiellosen Selbstdisziplin, Trainingsfleiß und der Bereitschaft, sein ganzes Leben dem Erfolg als Fußballer unterzuordnen.  Dabei sind mit der Zeit in der Selbstwahrnehmung die Person Christiane Ronaldo mit dem Fußballer mit der Rückennummer 7 verschmolzen ist. Dazu hat sicher die Erfindung und Pflege der Marke CR 7 beigetragen.

Mit dem Fußball aufzuhören, hat deshalb für ihn nicht nur die Bedeutung, als Sportler abzutreten, sondern gleichzeitig den Verlust der bisherigen Identität. Könnte ich ihm die Frage stellen, die im Zentrum meiner Ruhestandsseminare und Coachings steht, nämlich „Wer bin ich, wenn ich nicht mehr bin, was ich war?“ täte er sich sicher mit einer Antwort schwer.

Ähnlich wie dem Ausnahmefußballer Cristiano Ronaldo geht es vielen erfolgreichen Künstlern, Managern, Unternehmern und Politikern. Auch bei diesen verschmelzen in den Jahren des Erfolgs schrittweise Position und Person.  Dr Verlust der Position bedingt deshalb oft eine Krise der Person, häufig mit erheblichen psychischen und physischen Folgen. Viele müssen aus eigenem Antrieb und alleine schaffen, was Boris Becker durch seine bittere Haftstrafe gelungen ist, nämlich „den Menschen wiederzufinden, der ich vorher war“.

Obwohl sich Prognosen in diesem Fall genauso verbieten wie ärztliche und psychologische Ferndiagnosen, wage ich die Voraussage, dass das neue Engagement für Cristiano Ronaldo frustrierend enden wird, trotz des vielen Geldes, das er dort verdient (aber ganz sicher nicht mehr braucht). Sicher wird seine fußballerische Klasse leiden, wegen des geringeren Spielniveaus in der Liga, aber auch wegen seines fortschreitenden Alters. Von zentraler Bedeutung aber wird sein, dass ihm die für ihn so wichtigen Ego-Schmeichler fehlen werden, die aus dem Applaus und dem Jubel des Publikums in weltbekannten Stadien, Gewinn anerkannter Meisterschaften und Trophäen, weltweiter Presseresonanz, Ehrungen, Einladungen und gigantischen Followerquoten in den sozialen Medien bestehen. Zu den Heimspielen seines neuen Clubs kommen im Schnitt 8000 Zuschauer.

Und schließlich wird der Schritt, das Sportlerleben mit fast 40 zu beenden und die #3.Lebensphase anzunehmen und aktiv zu gestalten, mit dem neuen Engagement nicht vermieden, sondern lediglich verschoben. Es ist wie bei einem Süchtigen, der von der Droge wegkommen will. Jede neue Dosis verschiebt den Beginn der Entzugserscheinungen, verhindert sie aber nicht.

Bitterer Kontrast: 2015 äußerte Cristiano Ronaldo in der Jonathan Ross Show: „In meiner Vorstellung beende ich meine Karriere auf Top-Niveau. In Würde bei einem großen Club“.